Ein Jünglmg, den des Wissens heisser Durst
nach Sa«s in Âgypten trieb, der Priester
geheime Weisheit zu erlernen, hatte
schon marchen Grad mit schnellem Geist durcheHt;
stets nss ihn seine Forschbegierde vveiter,
ımd kaum besanftigte der Hierophant1)
den ungeduldig Strebenden. „Was hab’ ich,
wenn ich nicht alles habe?” sprach der Jüngling.
flGibt’s etwa hier ein VVeniger und Mehr?
İst deine Wahrheit wie der Sinne Glück
i) Priester, Ausleger der Geheimlehre.
nur eine Summe, die man grösser, kieiner
besitzen kann und immer doçh beşitzt?
İst sie nicht eine einz’ge, ungeteilte?
Nim.m einen Ton aus einer Hanrionie,
nimm eine Farbe aus dem Regenbogen
und alles, was dir bleibt, ist nichts, solang’
das schöne Ali der Töne fehit und Farben.” *
Indem sie einst şo sprachen, standen sie
in einer einsamen Rotonde stili,
wo ein verschleiert Bild von Riesengrösse
dem Jüngling in die Augen fiel. Vervvundert
blickt er den Führer an und sprichu „Was ist’s,
das hinter diesem Schleier sich verbirgt?”
„Die VVahrheit” , ist die Antwort. fIWie?” ruft jener;
„nach VVahrheit streb’ ich ja allein, und -tJiese
gerade ist qs, die mçm miçsverilüllt?”
„Das macfie mit der Gottheit pus”, versetzt der Hierophant. „Kein Sterblicher, sagt sie,” –
rüekt jîtesşnSchleier, bis ich selbst jjınjafiha^^———– ^
Und wer minjngeroeife^^ Hand
den heiligen, verbotnen früher’Jîfebr,
der, spricht die GotthBit — ” „Nün?” „Der ö i e h t die Wahrheit.
„Ein seltsamer Orpkelspruch! Du selbst,
du hâttest also niemals ihn gehoben?”
„Ich? Wahriich ntcht! Und war auch nie dazu
versuchtV’ „Das fass’ ich nicht. Wenn von der Wahrheit
nar^ttesâ^dünne. Scheidevvand mich trennte—”
,,Und ein Ğ~eS£îz’ aTîi^hm^se|n Führer ein.
„Gewichtiger, .mein Sohn, als ‘dEr^mşjnjst,
ist jdieser dünne Flor, für deine Hand ^ K
zwar leicht, doch zentnerschwer für dein Gevvissen/’
\
Der Jüngling girîg ğedankenvoll Yıach Hause. ihm raubt des VVissenş brennende, B‘ îr
den ScMaf, ^er vvalzt sich glühend at em Lager
und rafft sich auf um Mitternacht. Zum Tempel
führt unfreivvillig ihn der scheue Tritt.
Leicht warçl es ihmf die Mauer zu ersteigen,
und mitten in das Innre der Rotonde
tragt ein beherzter Sprung den Vyagenden.
H[er steht er nun, und grauenvoll umfangt
den Einsamen die lebenlose Stille,
die nur der Tritte hohler Widerha!l
in den geheimen Grüften unterbricht.
Von oben durch der Kuppel Öffnung wirft
der Mond den bleichen, silberblauen Schein,
und furchtbar wie ein gegenvvart’ger Gott
erglanzt durch des Gevvölbes Finsternisse
in ihrem langen Schleier die Geştalt.
Er tritt hinan mit ungewissern Schritt’—
schon will die freche Hand das Heilige berühren,
da zuckt es heiss und kühl durch sein Gebein
und stösst ihn weg mit unsichtbarem Arme.
^Ungltick-ffcher, vuas. wijjst du tun?” so ruft
in seinem Innern eine treue Sfimme.
„Versuchen den Allheiligen vvillst du?
Kein Sterblicher, sprach des Orakels Mund,
rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe.”
Doch setzte nicht derselbe Mund hinzu :
Wer diesen Schleier hebt, soll Wahrheit schauen?
MSei hinter ihm, was will! leh heb’ ihn a u f/’
Er ruft’s mit lauter Stimm’: „!ch will sie schauen.” S^houen
Gellt ihm ein langes Echo spottend- nacîı.
Er spricht’s und hat den Schleier aufgedeckt. „Nun”, fragt ihr, „und was zeigte sich ihm hier?” leh weiss es nicht. Besjnnungslos und bleich,
so fanden ihn am andern Tag die Priester
am Fussgestell der Isis ausgestreckt.
Was er allda gesehen und erfahren,
hat seine Zünge rîie bekannt.. Aut ewig
war seines Lebene Heiterkeit dahin,
ihn risâ ein tjefe/ Gram zum fruhen Grab.
„Weh tlem”, dies* war sein vvarnuntjsvolle^ Wort,
wenn ungestüme Frdger in Hin ^drangen,
„weh dem, der zu der Wahrheit geht durch SçhutelJ Sie wird ihm nfmmermehr erfreuliçh sein.